miércoles, 31 de octubre de 2012

Ein Fall aus der Praxis oder Absurde Aspekte der spanischen Arbeitsrechtsreform

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Ein Fall aus der Praxis oder Absurde Aspekte der spanischen Arbeitsrechtsreform
Sandra Schramm (Rechtsanwältin - Abogada, German Desk, BROSA)
 
Wir Anwälte sind es ja in einigen Fällen gewohnt, der Praxis fern liegende Rechtsvorschriften auszulegen und anzuwenden, aber in letzter Zeit häufen sich die Fälle und grenzen ans Absurde, wie einer meiner aktuellen Fälle.
 

Es handelt sich um die Entlassung eines Arbeitnehmers. Anfang dieses Monates übergab das Unternehmen meinem Mandanten ein Kündigungsschreiben, in dem ihm wegen kontinuierlicher Reduzierung seiner Arbeitsleistung gekündigt wurde. Das Unternehmen hat sich erst gar nicht die Mühe gemacht, die zur Kündigung führenden Umstände aufzulisten (wie auch, denn es gab keine) sondern hat einfach eine der im Gesetz bezeichneten Kündigungsgründe für Disziplinarkündigungen abgeschrieben. Dieses Argument hat meinen Mandanten wenig überzeugt, denn er ist seit Jahren pflichtgetreu seiner Arbeit im Unternehmen nachgekommen. Sprachlos über die Kündigung und empört über den Inhalt des Kündigungsschreibens, bat er mich um Prüfung seines Falles. In einem zweiten Schreiben bot das Unternehmen meinem Mandanten einen Betrag als Abfindungszahlung mit der Behauptung an, dass dies der korrekte Betrag sei. Nach der aktuellen Gesetzgebung und Rechtsprechung handelt es sich hierbei um eine ungerechtfertigte Kündigung.
 
Mit der Reform des spanischen Arbeitsrechtes durch das Königliche Dekret (Real Decreto) Nummer 3/2012, wurde die sogenannte Expresskündigung abgeschafft, die es dem Unternehmen gestattete, sich seiner Arbeitnehmer schneller und ohne großes Prozedere “zu entledigen“, sofern das Unternehmen dem Arbeitnehmer innerhalb von 48 Stunden den korrekten Abfindungsbetrag zur Verfügung stellte. Ebenfalls erfolgte durch die Reform eine Änderung in der steuerlichen Bewertung der Abfindungszahlungen aufgrund von Kündigungen, denn diese sind nach der Reform nur dann von der Einkommenssteuer (IRPF) befreit, sofern der gekündigte Arbeitnehmer innerhalb von 20 Tagen ab dem in der Kündigung bezeichneten Datum der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses die Gütestelle anruft, dem sogenannten Servicio Oficial de Mediación, abgekürzt, SMAC, (bzw. die Unrechtmäßigkeit der Kündigung und die Abfindungssumme richterlich festgestellt wird).
 
Gesagt, getan, am 10. Oktober 2012 beantragten wir bei der Gütestelle Termin für die gütliche Einigung. Die Gütestelle gibt uns daraufhin, und jetzt halten Sie sich bitte fest, Termin für den 20. Januar 2013 unter Hinweis darauf, halten Sie sich bitte erneut fest, dass es sich bei der Terminierung bereits um einen bevorzugten Fall handeln würde. Vor der Reform, der Wirtschaftskrise und den Kürzungen im öffentlichen Dienst wurden diese Termine innerhalb von 5 – 15 Tagen nach Antrag vergeben. Es kann schon sein, dass Sie das nicht verwundert und eventuell denken Sie, dass es nur 3 Monate sind (schon recht flott für spanische Verhältnisse), aber bei sämtlichen spanischen Arbeitsrechtlern beginnen in diesem Moment die Alarmglocken zu läuten, denn hier haben wir ein prozessuales Problem, sowohl für den Arbeitnehmer als auch für das Unternehmen. Der Arbeitnehmer hat bei einer Kündigung 20 Werktage Zeit, um Klage gegen die Kündigung zu erheben. Diese relativ kurze Frist wird mit dem Tag des Antrags auf den Gütetermin aber nur für die Dauer von 15 Tagen unterbrochen.
 
In unserem Fall müssten wir die Klage daher bis spätestens zum 9. November 2012 erheben, was den Gütetermin ad absurdum führt, Sie erinnern sich, dieser war für den 20. Januar 2013 vorgesehen, selbst unter Berücksichtigung der 30 Tagesfrist, die das aktuelle Prozessrecht für die Vornahme des Gütetermines vorschreibt. In den Kündigungsverfahren ist die Abhaltung des Gütetermines Prozessvoraussetzung und soll dem Unternehmen und dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, eine einvernehmliche Einigung zu finden, die normalerweise in der Zahlung der korrekten Abfindungssumme und sonstiger geschuldeter Beträge besteht, um einen langen und kostenintensiven Rechtsstreit zu vermeiden, was ebenfalls dazu dient, die Gerichte zu entlasten. In unserem aktuellen Fall muss der Arbeitnehmer wohl oder übel Klage erheben (lassen), wenn er keinen Rechtsverlust im Fall des Scheiterns des Gütetermines riskieren möchte. Aber darüber hinaus ergibt sich noch eine weitere Problematik, denn Mandant und Anwalt müssen abwarten, wer zuerst zum Termin bittet, die Gütestelle oder etwa das Gericht, sofern uns die spanische Sozialgerichtsbarkeit mit ihrer schnellen Terminvergabe überraschen sollte. Die Unternehmen müssen nach der Reform kein Verfahrensgehalt, das sog. salario de tramitación, fürchten, welches an den Arbeitnehmer im Falle einer unrechtmäßigen Kündigung für die Dauer des Verfahrens zu zahlen war, denn der neu gefasste Art. 56 des spanischen Arbeitnehmerstatutes regelt, dass Verfahrensgehalt nur dann gezahlt werden muss, sofern das Unternehmen bei unrechtmäßiger Kündigung entscheidet, den Arbeitnehmer wieder einzustellen (oder sofern der gekündigte Arbeitnehmer Vertreter des Betriebsrates war).
 
Aber so oder so muss das Unternehmen abwarten, bis der Termin vor der Gütestelle oder dem Sozialgericht stattgefunden hat, um die Personalakte schließen zu können. Logisch, dass Unternehmen einen Rechtsstreit vermeiden möchten und auch, wenn das Verfahrensgehalt abgeschafft wurde, der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers wird versuchen, den Betrag der Abfindung bis zum Termin der Güteverhandlung oder zum Gerichtstermines in die Höhe zu treiben. Natürlich verbleibt auch als Lösung, dass Unternehmen und Arbeitnehmer zu einer Einigung vor dem eigentlichen Gerichtstermin bei Gericht gelangen, aber so oder so werden die Gerichte mit unnötigen Verfahren belegt und der Sinn der Güteverhandlung verschwimmt. Diese Situation führt zu Kopfschütteln bei allen Beteiligten: Arbeitnehmer, Unternehmer und Rechtsanwalt, denn von einer Reform erwartet man, dass Prozesse vereinfacht werden. Es hätte gereicht, wenn der Gesetzgeber sich lediglich auf die Abschaffung des Verfahrensgehaltes beschränkt hätte (dessen Abschaffung ja eigentlich dazu dienen sollte, Anreiz für die Unternehmer zu schaffen, um betriebsbedingte Kündigungen zu erleichtern bzw. zu vereinfachen). Der Gesetzgeber sollte Unternehmen und Arbeitnehmer die Möglichkeit lassen, eine Einigung über die Kündigungsfolgen zu finden, ohne die steuerliche Verpflichtung, die Gütestelle (SMAC) anzurufen. Wollen wir hoffen, dass der Gesetzgeber einsieht, wie sinnlos die Reform in diesem Punkt in der Praxis ist, denn es gibt wenig Unternehmen und Arbeitgeber die sich neben der Abfindung noch einvernehmlich darüber einigen, wer die steuerliche Last derselben tragen soll.
 
Sandra Schramm
Rechtsanwältin
Abogada
Barcelona im Oktober 2012

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